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Kurzgeschichten

Totenmonat, Regen, Gräber, Weg, Bäume

Totenmonat

Von Thomas X. Kresz

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Mystery-Kurzgeschichte

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Während die Finsternis des Herbstes immer mehr der Sonnenstunden verschlingt, presst die Kälte des aufkommenden Winters den letzten Rest der Farbe aus dem Blattwerk der Bäume. Der Frost zieht seine eisige Schlinge enger um die Wurzeln der Pflanzen und lässt vergehen, was der Grausamkeit der Veränderung nicht gewachsen ist. 
   Depression greift um sich und macht nicht einmal vom Getier halt. Während das Weidevieh um die Weide selbst trauert, laufen zahllose Igel in ihr Elend. Sobald sich ihnen ein Auto nähert, harren sie so bereitwillig auf ihr Ende, dass es fast den Eindruck macht, sie wählten den Freitod. 
   Tage werden kürzer, Nächte werden länger, kälter, stiller. 
   Vielen heidnischen Festen Wirkung, böse Geister milde zu stimmen, scheint längst verfehlt, denn in einer Zeit in der Vergänglichkeit so um sich greift, kann doch nichts Gutes gedeihen.
   »Totenmonat«, raunte Pepe. 
   Als er die Stirn wieder von der Scheibe nahm, blieb ein großer Fettfleck zurück. 
   Die triste Landschaft, in Grau und Braun, rauschte an ihm vorbei. Unmöglich einzelne Szenen zu erfassen, vielleicht aber eine Momentaufnahme vom Ganzen. 
   »Was sagtest du, junger Mann?« 
   Eine alte Frau hatte neben ihm Platz genommen, ohne das er es bemerkte.
   Das muss beim letzten Stopp passiert sein, überlegte Pepe. Er blickte in das von Falten zerfurchte, aber gütige Gesicht der Dame.      
   »Welch schmeichelhaften Namen gibst du denn dem November da?«
   Sie hat mich ja doch verstanden, dachte er, dann rang er sich dazu durch, der Frau zu antworten: »Schauen Sie sich doch mal um, ist es nicht absolut zutreffend? Alles stirbt.«
   »Aber der Tod bedeutet nicht immer das Ende, meist bedeutet er nur Veränderung, manchmal sogar Erneuerung, das lehrt uns der Frühling.«
   »Wenn man lange genug lebt, um dessen Zeuge zu werden«, brummte Pepe.
   Die alte Frau legte ihre Hand auf seine Schulter und lächelte ihn freundlich an. 
   Pepe hatte das Gefühl, als könne sie direkt in ihn hineinschauen.
   »Weißt du, warum deine Betitelung tatsächlich so zutreffend ist, junger Mann?« 
   »Ich habe das Gefühl, als würden Sie es mir gleich sagen.«
   »Das stimmt.« Die Frau lachte kurz und räusperte sich. »Zurzeit ist die Wand zwischen den Welten besonders dünn, in keiner anderen Zeit des Jahres sind wir den Verstorbenen so nah wie im November.«
   Die spinnt, dachte Pepe. Es ist wohl besser, ich nicke einfach.
   Die Dame räusperte sich erneut. »Ich bin müde, ich schließe einen Moment die Augen, weck mich, wenn du aussteigen musst.«
   Er nickte.
Drei Stationen später war die Frau immer noch stumm. Die nächste Haltestelle war die seine, also drückte er den roten Knopf. Nun wusste der Busfahrer, dass er zu halten hatte.
   »Entschuldigen Sie, würden Sie mich vorbei lassen? Ich muss die Nächste raus.«
   Die Seniorin antwortete nicht.
   »Hallo, aufwachen«, sprach er etwas lauter und legte seine Hand auf die Schulter der Alten. Moment mal, sie atmet nicht. Er schüttelte den kühlen Körper. 
   Keine Reaktion. 
   »Hilfe! Hilfe, die Frau atmet nicht mehr! Bitte, sie braucht Hilfe!«

Der Bus fuhr nicht weiter und Pepe ging nicht heim, bis der Rettungsdienst kam. Der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen und nach einer Prüfung ihrer Handtasche ihre Identität. 
   »Frau Schild ist verstorben«, hörte er den Notarzt zu einem Sanitäter sagen. 
   
Er ging in einem dunklen Tunnel aus trüben Gedanken nachhause. Als er die Tür hinter sich schloss, wusste er nicht mal mehr, wie er hergekommen war. Fragen gruben sich aus seinem Geist.
   Warum Essen?
   Warum Trinken?
   Warum zu Bett gehen?
   Nur um jeden Tag von Neuem auf den eigenen Tod zu warten?
Er ging zum Medizinschrank, nahm eine Packung Tabletten, holte sich einen Becher Wasser aus der Küche und setzte sich, viel zu spärlich bekleidet, auf seinen Balkon. Aus dem vierten Stock hatte er einen guten Blick in die Kronen einiger Nadelbäume des Gemeinschaftsgartens. 
   Eine um die andere Tablette wanderte in seinen Mund und er spülte sie mit kleinen Schlucken Wasser hinunter, bis eine warme Umarmung nach im griff und sich sein Blick trübte. Da riss ihn ein quirliges Quieken noch einmal aus dem angehenden Schlaf. Zwei Eichhörnchen, die emsig und voller Zuversicht ihre Wintervorräte sammelten und dabei eine Lebensfreude versprühten, die seine Brust schmerzen ließ und schimmernde Tränen in seine Augen zauberte.
   Reue sickerte durch seinen Verstand, doch es war zu spät. Das Leben in ihm verabschiedete sich mit jedem Atemzug etwas mehr aus seinem Leib.
   Und dann kam die Nacht.

Monotones Piepsen, grelles Licht, und das Wimmern einer Frau. Er war nicht hinüber gegangen, da war er sich sicher. Nein, er lebte noch.
   War das gut?
   Die Augen ganz geöffnet, erkannte er zuerst die Infusionsflasche, dessen Schläuchlein in seinen Arm führte. 
Schwerfällig glitt sein Blick durch den grellen Raum, da saß seine Mutter auf einem Stuhl an der Wand. 
   »Mama?«
   Sie hob den Kopf, stürmte zum Bett, fiel ihm um den Hals und schluchzte: »Pepe, Gott sei Dank.« Ihre Stimme war leise und heiser, ihre Augen rot und geschwollen.
   »Ist Papa auch da?«
   »Ja, er wird sich so freuen, wenn er hört, dass du aufgewacht bist, er holt etwas zu trinken am Kiosk.«
   »Mama?«
   »Ja, Pepe?«
   »Wie?«
   »Gestern Nachmittag klingelte unser Telefon, eine alte Dame war dran, sie bestand darauf, dass wir uns ins Auto setzen und nach dir sehen.« 
   »Eine alte Dame?«
   »Ja, es war ungewöhnlich, kennst du denn eine Frau Schild?«

Spinne, Albtraum, Mädchen, Unheimlich

Die Albtraumweberin

Von Thomas X. Kresz

 

Bild von Stefan Koidl

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Horror-Kurzgeschichte

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»Deine Tochter schlafwandelt schon wieder.«
   »Sie ist unsere Tochter, Marlene.«
   »Nicht heute Nacht, mein Tag war die Hölle.« Marlene drehte sich um und schlief weiter.
   Pascal wusste, dass ihm keine andere Wahl blieb, als nach Nina zu sehen. Sie hatten zwar, seit ihre Tochter vor einigen Wochen angefangen hatte, immer Mal wieder schlaf zu wandelt, alles sicher gemacht, aber er hätte keine Ruhe mehr gefunden, solange er sich nicht um das Mädchen kümmerte. »Na gut, ich geh schon.« Er verließ das Elternschlafzimmer und trat auf den dunklen Flur. Das Licht der Straßenlampen drang ins Haus und tauchte alles in ein schwaches, kaltes Licht.
   »Ach Nina, wo steckst du denn?«, raunte er und rieb sich die Körner aus den Augenwinkeln.
   Er ging den Gang entlang und sah Licht durch den Spalt unterhalb der Badezimmertür. Pascal klopfte vorsichtig an. »Nina, alles in Ordnung?« Langsam schob er das Türblatt auf.
   Wimmern und Schluchzen hörte er, schon bevor er Nina hinter der Tür am Waschbecken stehen sah. Sie weinte in den Spiegel, als würde sie sich selbst dabei beobachten.
   »Kleines, was ist los? Hast du wieder schlecht geträumt?«
   Ruckartig drehte das elfjährige Mädchen sich um. »Träume? Das sind keine Träume!«, keifte sie.
   Der Vater dachte gesehen zu haben, wie sich ihre Augen kurz völlig schwarz gefärbt hatten, schüttelte aber den Kopf und schob es auf seine Müdigkeit. »Nina, was hast du denn?«
   Die Wangen der Tochter waren nass von den vielen Tränen. Sie wischte sich mit den Ärmeln ihres Schlafanzugs trocken. »Ich zeige es dir.«, murmelte sie mit einer Stimme, als hätte sie sich die Stimmbänder mit Zitronensaft verätzt.
   Bevor Pascal darüber nachdenken könnte, wie seltsam diese Situation gewesen war, packte ihn seine Tochter an der Hand. Die Berührung tauchte alles in Schwarz und Rot. Zwei pechschwarze Gestalten mit leuchtend weißen Augen, starrten ihn an, ausdruckslos, stumm. Das ängstigte ihn. Erstarrt hielt er die Hand von Nina fest. Wie angewurzelt, bis er verstand, dass es sich um ihr Spiegelbild handelte.
   »Nina, was geht hier vor?«
   »Wir sind bei ihr?«
   »Wo ist, bei ihr?«
   »In ihrem Reich, sie wird mächtiger!«
   »Wer ist sie?«
   »Die Weberin.«
   »Und wo ist diese Weberin?«
   »In ihrem Nest. Aber ich gehe da nicht wieder hin, Papa!«
   »Bitte Nina, wir müssen wissen was hier passiert! Bring mich zu dieser … Weberin.«
   Nina zerrte an seiner Hand. Alles war so verändert. In Rot und Schwarz getaucht, erkannte er seine eigene Wohnung nicht mehr. Aber sie gingen in das Kinderzimmer. Der Raum schien plötzlich zehn Meter hoch zu sein. Über ihren Köpfen war nichts zu erkennen. Nichts, außer Finsternis.
   »W… wo ist sie?«, flüsterte Pascal.
   »Sie ist überall!«
   Er ließ die Hand seiner Tochter los und trat in die Mitte des Raumes. »Wo denn?« Er drehte sich zu Nina um. Diese sah aus, als wäre sie in Teer getaucht und ihre Augen durch Taschenlampen ersetzt worden. Das Licht das aus dem Flur ins Zimmer viel tauchte alles um sie herum in blutrot. 
   »Guuutes Kind! Wen hast du mirrr denn da mitgebrrracht?, eine dröhnende Stimme drang aus dem Nichts, das die Decke des Raums ersetzte.
   »W… wer bist du?«, schrie der Vater.
   Plötzlich füllte sich der Raum mit meterlangen Gliedmaßen. Sie erinnerten ihn an die Beine eines Insekts. Viele schwarze Spinnenbeine reckten sich knackend in alle Richtungen. Und aus der Dunkelheit schälte sich ein enormer Körper. Ein grotesker Anblick bot sich ihm, als das Geschöpf, das über diesem abnormen Bildnis seiner Tochter aufgetaucht war, ihn aus sechs rot glühenden Augen anstarrte.
   »Ich bin die Albtrrraumweberrrin!«
   »A… Albtraumw…, was?! Willst du uns fressen?«
   Ein schrilles Lachen ertönte, das in Pascals Ohren schmerzte. Zwei der mächtigen Beine, streckten sich ihm entgegen und zerrten ihn unter den gewaltigen Leib der Spinne. Er war hilflos. Die vielen Gliedmaßen hoben ihn vom Boden empor und fingen an, ihn herum zu wenden und wie wild und wirr ab zu tasten. Er blickte auf den Abdomen des Geschöpfes, als er sich direkt darunter befand, riss dieser auf, wie ein Laib Brot dies im Backofen zu tun pflegte. Der Hinterleib der Weberin öffnete sich und auf Pascal ergossen sich klebrige rote Fäden. Die Spinne drehte ihn zwischen ihren Beinen und wob ihn ein.
   Pascal war starr, er konnte nicht schreien, er konnte sich nicht wehren. Zunächst aus Furcht, dann weil er sich in einem Kokon aus Seide wiederfand, der ihn umschloss wie Stahlseil. Während sich Bilder von entstellten Leichen, Monstren, Morden, Unfällen, Kriegen und unaussprechliche Widerwärtigkeiten in seinen Geist ergossen. »Albträume!«

    Marlene wurde wach. Sie tastete auf dem Platz neben sich herum. »Pascal, Schatz? Wo steckt er denn?«
Sie öffnete die Augen und stand vor Schreck neben dem Bett.
Pascal, starrte sie an, teilnahmslos, mit totem Gesichtsausdruck, stand er vor ihr.
   »Schatz, ist alles in Ordnung?«
   »In Ordnung? Nichts ist in Ordnung!«, keifte er heißer.
   Erschrocken wollte Marlene wissen: »Was ist denn nur los mit dir?«
   Er reichte ihr die Hand. »Komm mit, ich zeige es dir.«

Sumpf, Hexe, Magier, Kämpfer

In den Sümpfen

Von Thomas X. Kresz

 

Bild von Kalmahul

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Fantasy-Kurzgeschichte

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„Ach du alter Säufer! Wovon träumst du bei Nacht?“
   „Glaubt mir Kampfmagier Migol! Eine Sumpfhexe! Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen!“, schwor der rotnasige Greis, während die restlichen Gäste der Taverne über ihn lachten.
   „Wirt! Ich dachte, dein Gasthaus nennt sich Zum Schunkelnden Eber und nicht Zum Verrückten Greis?!“, machte sich Migol der Magier lustig. Sein kehliges Lachen trieb den Alten die Zornesröte ins Gesicht.
   Spuckend brüllte dieser lauthals gegen das Gelächter an: „Wenn ich es euch doch sage! Eine Hexe! In Macht und Gestalt einer Göttin gleich, sie lebt im Sumpf jenseits des Toten Waldes!“
   „Wendel du alter Spinner!“, mischte sich der Wirt ein. „Lass meine Gäste zufrieden und erzähl deine Märchen wo anders!“ Mit einen lauten Knall schlug er seine Pranke auf den speckigen Holztresen.
   „Das sind keine Märchen!“, blökte Wendel zurück.
   „Wenn die Sumpfhexe so schrecklich und mächtig ist, wie kommt es, dass du noch am Leben bist?“, wollte der Kampfmagier wissen.
   „Nun, was glaubt Ihr wohl?! Als ich das Monstrum erblickte, nahm ich die Beine in die Hand und lief, ohne mich umzusehen!“
   Ein schallendes Lachen donnerte durch die schummrige Stube der Taverne.
   „Mein Herr Migol!“, rief der Wirt durch den halben Raum. „Bringt den Kopf dieser Hexe und ihr esst und trinkt den Rest eures Lebens zechfrei!“ Mit feuchten Augen hielt er sich den Wanst vor Gegackere.
   Wendel flüchtete sich aus der verqualmten Gaststube, in der sich das Gejaule der Lachenden immer weiter hochschaukelte, mit jedem spöttischen Witz, der über seine Geschichte und ihn gerissen wurde.
   „Euer Angebot gefällt mir Wirt! Vielleicht schaue ich mir diesen Sumpf mal an. Bestimmt finde ich die Sumpfhenne, die diesen armen Irren einen solchen Schreck eingejagt hat.“, verkündete der Kampfmagier. 
   Schon am nächsten Morgen brach er in voller Rüstung auf. Er durchquerte den Toten Wald, der seinen Namen den vielen nackten Bäumen verdankte, aus denen er bestand. Das dichte Dornengebüsch des Unterholzes bescherte ihm Muhe, Schmerz und Ärger. Langsam glaubte er, dass der Lügner, aus der Taverne, nicht einmal in der Nahe des Sumpfes war. Vielleicht kannte der Narr aber einen besseren Weg durch das Dickicht.
   Migol brauchte auf jeden Fall mehr als den halben Tag durch den Wald und als er endlich den Rand des Sumpfes erreichte, Versteckte sich die Sonne bereits hinter den Bergen im Südwesten des Landes. Die ganze Region lag im Schatten und der vom feuchten Boden aufsteigende Nebel, erschwerte die Sicht auf gefährliche Weise. Immerhin war man in diesem Moor nur einen falschen Schritt weit von einem feuchten Tod entfernt.
   „Gladius inflamare!“, sprach er mit dramatischer Betonung und streifte mit der flachen Hand über die Hohlkehle seines Langschwertes.
   Die Klinge ging in Flamen auf und er benutzte sie als Fackel, um den Schatten zu vertreiben. Vorsichtig tastete er sich voran, durch das Feuchtgebiet. Er bevorzugte den Boden, der von Wurzeln durchwucherd war. Diese Flecken boten einen stabileren Untergrund. Hätte er den Halt verloren und wäre ins Wasser gefallen, wäre er von seiner eigenen Ausrüstung ertränkt worden, dies galt es unbedingt zu vermeiden. Kröten hüpften von seinen Füßen davon und tauchten mit lauten Platschen ins Wasser.
   „Wahrscheinlich hat den Säufer nur eine dieser fetten Unken erschrocken.“, dachte sich der Magier. 
Die Nacht hielt Einzug in den Sumpf und Migol kam an einem großen Wasserloch, unter dem Geäst eines mächtigen Baumes an. Schlagartig verspürte er eine Präsenz. Er vermochte nicht zu sagen, ob er etwas Derartiges je zuvor vernommen hatte.
   Nein, er war sich sicher, so etwas Beunruhigendes spürte er noch nie.
Plötzlich begann sich die Wasseroberfläche zu bewegen, ein Vibrieren erschütterte die Umgebung und ließ Laub durch die Luft flattern.
   Vor dem Kampfmagier tat sich das Wasser auf und das Deckhaar eines gewaltigen Kopfes durchbrach die Oberfläche. Lange, schwarze Haare wanden sich wie gierige Schlingpflanzen auf dem Wasserspiegel, während sich funkelnde Augen öffneten und sofort den vor Anspannung bebenden Magier fixierten. Nur bis zu den Schultern entblößt, überragte das weibliche Geschöpf ihn um eine Mannshöhe.
   „Wer bist du? Hexe!“, brüllte er, mit dem Kopf im Nacken.
   „Du wagst es, in mein Reich einzudringen, mit gezückter Waffe?!“, donnerte die Stimme des Wesens, wobei schwarzer Morast aus ihrem Mund floss. „Ich bin nichts der Gleichen!“
   „Was bist du dann!“, schrie er, verunsichert den Griff seines Flammenschwertes umklammernd.
„Ich bin Umora! Göttin des Sumpfes! Und du wirst jetzt sterben!“

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Drache, Berge, Dunkelelf

Meister der Drachen

Von Thomas X. Kresz

 

Bild von Nino Is

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Fantasy-Kurzgeschichte

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Seit Wochen auf der Flucht. Mehrere Tage brauchte er, um auf die Insel überzusetzen. Er war fest entschlossen, sich für seine Rache, Verbündete zu suchen. Die beiden stählernen Hörner, die seinen Helm krönten, und die Rüstung, die er seit jeher mit stolz trug, war alles, was ihn an die einstige Größe seines Volkes erinnerte.
   Die Insel bestand zum Großteil aus versteinertem Magma, das einst mit enormen druck aus der Meeresoberfläche herausquoll. Mannshohe Stalagmiten und scharfkante Steinplatten formten die gesamte Umgebung zu einem unwirklichen und schwer zu bereisenden Landstrich.
   Er war sich sicher hier eine Macht erwecken zu können, die diese Strapazen wert war. So bestieg er den höchsten Berg, im Zentrum des Eilandes und betrat eine Felsengrotte mit gewaltigen Ausmaßen. 
   »Die Höhle des Drachenfürsten. Endlich!« Der Krieger erschrak vor seinen eigenen Worten, die als kakophonischer Widerhall von allen Seiten der Felswände zurückgeschleudert wurden.
   Nach einer Weile war er tief in die Höhle vorgedrungen und erreichte eine riesige Kaverne, in der sich ein seltsam grüner Dunst ausbreitete. Lange Atemzüge, die ein volltöniges Grollen verursachten, durchdrangen die Stille. Da lag ein schwarzer Drache in tiefem Schlummer. 
   »Endlich habe ich dich gefunden Meister der Drachen. Du, der mein Schicksal teilt.«, sagte er und wühlte eine Schriftrolle aus seiner Ledertasche. Er sah die Blutflecken auf dem Pergament. »Dieser überhebliche Hochelfenmagier, er wollte sie mir ja nicht freiwillig geben, also riss ich sie ihm aus seinen kalten, toten Händen!« 
   Der Reisende trat bis auf wenige Schritte an die geflügelte Echse heran, breitete die Pergamentrolle aus und sprach die Worte, die darauf geschrieben standen: »Lorg uf si lundwum erhabe di.«
   Nervös blickte er sich um, nichts schien zu geschen. »Hm, vielleicht nochmal mit mehr Inbrunst. Lorg uf si lundwum erhabe di!«
   Ein sanftes Beben ließ kleine Steinchen über den Grund tanzen und feiner Staub rieselte von der Decke hernieder. Der Krieger schaute sich um und sah, wie sich der grüne Nebel blutrot verfärbte. Dann starrten ihn zwei leuchtend rote Augen mit vertikal geschlitzten Pupillen an.
   Ein Brüllen ließ die Erde beben. »Wer erweckt mich aus meinem Schlummer?!«
   »Das war ich, oh Fürst der Drachen!«
   »Du? Dunkelelf? Warum?«
   »Ich will Rache, Rache an einem gemeinsamen Feind!«      
   »Weshalb sollte ich dich nicht verspeisen und mich danach wieder schlafenlegen?« Der Drache bäumte sich auf, zeigte seinen von dicken Schuppenplatten bedeckten Bach und fletschte die dolchgroßen Zähne.
   »Weil ich glaube, dass du die Hochelfen, die dich und dein Gefolge, mit einer List, auf diese Insel verbannten, mindestens genau so hasst wie ich.«
   »Du hast Schneid! Was haben sie dir angetan, Dunkelelf?« Der Drachenfürst senkte sein Haupt und fixierte den Elf fest mit seinen glühenden Augen. 
   »Sie brauchten Sklaven. Und das ist für diese dreckigen Hochelfen Grund genug, um ein Volk zu unterwerfen.«
   »Das klingt in der Tat nach diesen möchtegern privilegierten Schnöseln!«
   »Dann geh mit mir, hinaus aus diesem Loch, hinauf auf den Gipfel, wecke mit deinem Gebrüll deine Streitmacht und lass Feuer auf ihre Städte regnen!«
   »So sei es!«

 

    

Magier, Turm, Zauber

Sturm der Rache

Von Thomas X. Kresz

 

Bild von Chris Cold  

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Fantasy-Kurzgeschichte

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Kommt bald...

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Nebel der Trance

Von Thomas X. Kresz

 

Bild von  panjooolart ​

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Dark-Fantasy / Drama-Kurzgeschichte

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Sie schlug die Augen auf. Grau in Grau. Überall wo sie hinblickte Grau. Es war Nebel, dichtester Nebel, der ihr diese Sicht bescherte. In welche Richtung sollte sie laufen? Welcher Weg würde der richtige sein? Gab es hier überhaupt richtig oder falsch? Zweifel grub sich aus ihrem Herzen, fraß sich durch ihr Gemüt, bohrte sich durch ihre Gedanken und drohte sie zu paralysieren – diese Gefühle durften angeblich gar nicht möglich sein - war etwas schiefgelaufen?
   Aber sie wurde hergeschickt, man verließ sich auf sie. Also schob sie die Zweifel bei Seite und machte den ersten Schritt. Ohne darüber nachzudenken lief sie los. Immer weiter und weiter, aber der Blick änderte sich nicht. Die Wand aus Dunst verschwand einfach nicht. Je länger sie lief, umso mehr fürchtete sie sich, sie fürchtete, was ihr der nächste Tritt ins Ungewisse bescheren könnte. Mutig rannte sie weiter und schon bald wurde sie dafür belohnt. Der Nebel lichtete sich und ein riesiges Gebilde aus Stein schälte sich aus den Schwaden. Vier Säulen und ein gewaltiges zersprungenes Pendel mit uralten hineingeschlagenen Ornamenten.
   Sie schritt wenige Treppen empor und fand sich inmitten der von Wurzeln umrankten Pfeiler wieder. Ein kühler Wind kam auf und trug den Rest des Nebels fort. Eiskalt lief es ihr den Rücken hinunter und die feinen Härchen an ihren Unterarmen stellten sich auf, als sie die dunklen Gestalten sah, die hier über den Boden gleiteten. Gestalten, behangen mit unzähligen Lagen von schwarzem Stoff, schwebten umher und schienen sie nicht zu bemerken.
»Seid ihr die, die ich suche?!«, rief sie und bereute es schon im selben Moment.
Eines der großen Geschöpfe wandt sich ihr zu. Weder Augen noch Gesicht entdeckte sie unter der Kapuze. Ein eisiger Hauch umschlag sie, als eine obskure Stimme das Nichts innerhalb des schwarzen Stoffes verließ.
   »Das kommt darauf an.«
   »Worauf kommt es an?«
   »Darauf was du finden willst.«
   »Mich verlangt es nach Antworten.«
   »Die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft betreffend?«

   Sie zögerte, sie war nicht sicher, ob nur eines davon reichen konnte. »Die Zukunft, ... glaube ich«, antwortete sie schließlich – wie konnte das nur sein? Sie sollte sich solche Fragen nicht stellen müssen.
   »Wenn du dir über deine Fragen nicht sicher bist, wie sollen wir uns dann unserer Antwort gewiss sein?!« Die Stimme der Gestalt donnerte. Die Umgebung erbebte »Du bist das neue Orakel der alten Priester von Orikulus, ist es so?«
   »So ist es!«
   »Hm, armes Ding.«
   »Was wollt Ihr damit sagen?«
   »Du hast keine Ahnung, was diese alten Hurenböcke mit dir anstellen während du hier durch den Nebel der Trance schreitest.« Ein Chor aus Gelächter umhüllte das Orakel.
   Sie schreckte hoch. Ihr kurzes Röckchen war weit hochgeschoben und keuchende Greise blickten mit überraschten Gesichtern auf sie hinab. Wie im Affekt griff sie nach einem Ritualdolch, der neben ihr auf dem Tempelboden lag.
Sie war das letzte Orakel von Orikulus und das erste, das überlebte.

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